Zukunftsgestaltung mit der Effectuation-Methode. Oder: Vom Kochen mit vorhandenen Zutaten

un-MÖGLICH

Immanuel Kant, der Apologet der menschlichen Vernunft, hat das Grundproblem bereits vor ca. 130 Jahren auf den Punkt gebracht: Wir sind weder allwissend, noch können wir die Zukunft vorhersehen. Und deshalb können wir nie genau wissen, welches Ergebnis unsere Handlungen in der Zukunft haben werden. Das klingt banal, ist aber ein großes Problem, mit dem vor allem Unternehmer immer wieder zu kämpfen haben. Da ist guter Rat teuer! Kant bleibt nicht bei der Problemanalyse stehen, sondern liefert auch die Lösung: Wenn wir uns nicht darauf verlassen können, was die Zukunft bringt, dann brauchen wir feststehende Prinzipien, an denen wir uns orientieren können und die erstmal unabhängig von dem, was irgendwann passieren könnte, funktionieren. Der berühmteste Denker der Aufklärung macht sich Gedanken über unternehmerische Methoden? Das natürlich nicht, Kant ging es damals um das moralische Handeln – die Grundstruktur des Problems lässt sich aber übertragen und in der Methode der sogenannten „Effectuation“ wiederfinden. Was verbirgt sich dahinter?

Bei der Effectuation handelt es sich um eine Entscheidungslogik, also einem Prinzip, nach dem unternehmerische Entscheidungen ausgerichtet werden können, auch wenn es eigentlich zu wenige gesicherte Anhaltspunkte gibt. Und in dieser Situation sehen sich heute immer mehr Unternehmer – langfristige Ziele sind nicht klar zu bestimmen, Bedingungen werden von den verschiedensten Akteuren und Bedingungen beeinflusst und bleiben in den seltensten Fällen über einen längeren Zeitraum unverändert. Die Frage ist also, wie kann ich Entscheidungen treffen, die sich schnell und flexibel an die mir unbekannte Zukunft anpassen, ohne dass sie sich ins Negative verkehren und mir völlig aus der Hand gleiten?

Darüber hat sich die internationale Entrepreneurforschung viele Gedanken gemacht und Entscheidungsgewohnheiten erfolgreicher Unternehmer untersucht. Die Wissenschaftlerin Saras Sarasvathy von der University of Virginia hat schließlich den Effectuation-Ansatz entwickelt und damit unseren Umgang mit der Zukunft auf einen völlig neuen Boden gestellt. „Mr. Effectuation“ im deutschsprachigen Raum ist Michael Faschingbauer, Unternehmensberater, Trainer, Coach und Dozent mit Büros in Graz und Wien. Sein Werk „Effectuation: Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln“ ist uneingeschränkt empfehlenswerter Lesestoff. Und wer lieber Bewegtbilder mag, dem sei sein TEDx Auftritt ans Herz gelegt.

Doch was fangen Unternehmer konkret mit Effectuation an? Effectuation ist eine Methode, in Situationen Probleme zu lösen oder Entscheidungen zu treffen, die zwar unvorhersehbar sind, sich aber deshalb nicht unserem Handlungsspielraum entziehen. Da sich Effectuation auf klare Prinzipien stützt, kann sie prinzipiell von jedem Entscheidungsträger erlernt und angewendet werden. Dabei geht es vor allem darum, die Zukunft nicht mehr als etwas zu sehen, über das man so viele Prognosen wie möglich anstellen muss, um ihr so nahe wie möglich zu kommen. Stattdessen wird die Zukunft als etwas gesehen, was entsteht, indem es von Menschen gestaltet wird.

Die 4 wesentlichen Prinzipien von Effectuation

Effectuation fußt auf vier wesentlichen Prinzipien, anhand derer unternehmerische Entscheidungen in ungewissen Situationen getroffen werden können.

1. Mittelorientierung

Hier geht es darum, den Blick nicht gleich auf eine „dunkle“ und „ungewisse“ Zukunft zu richten, sondern erstmal bei dem zu beginnen, was sich überblicken und steuern lässt: beim Stand des eigenen Unternehmens, den vorhandenen Erfahrungen und Kenntnissen und potenziell nützlichen Kontakten. Von diesem Standpunkt aus lassen sich dann Ziele definieren, die den mir zur Verfügung stehenden Mitteln entsprechen und sich tatsächlich verwirklichen lassen.

2. Leistbarer Verlust

Die Beantwortung der Frage „Welchen Einsatz will ich bringen?“ sollte sich nicht nach dem gewünschten oder „vorausgedeuteten“ Ertrag richten, sondern danach, was ich bereit und in der Lage bin, im schlimmsten Falle zu verlieren.

3. Umstände und Zufälle

Zukünftige Umstände und Zufälle werden oft als etwas Bedrohliches und Schädigendes betrachtet, das eine Planung ins Wanken bringen kann. Stattdessen sollten sie als unvorhergesehene Chancen betrachtet werden, aus denen sich immer das Beste machen lässt und die einem Projekt den nötigen Schub verleihen können.

4. Vereinbarungen und Partnerschaften

Wer zu lange nach dem “perfekten Partner” sucht, steht letztendlich alleine da – denn den gibt es nicht. Partnerschaften sollten mit denen eingegangen werden, die bereit sind, sich trotz aller Ungewissheiten verbindlich einzubringen und zu engagieren. Diese Bereitschaft ist in diesem Falle die wichtigste und alles entscheidende Eigenschaft.

Eines ist klar, Effectuation hat nichts mit der herkömmlichen kausalen Logik zu tun, nach der wir die Zukunft nur beherrschen können, wenn wir sie so genau wie möglich vorherbestimmen. Effectuation richtet den Blick weg von der unbestimmbaren Zukunft, hin zu den Mitteln und Möglichkeiten, die uns jetzt und tatsächlich zur Verfügung stehen – Kochen mit vorhandenen Zutaten. Wenn wir uns auf das konzentrieren, was wir wirklich in der Hand haben, brauchen wir uns nicht mit ungewissen Zukunftsprognosen herumzuschlagen.

Ob es um Innovationen geht, um langfristiges Projektmanagement, die Entwicklung neuer Produkte oder verschiedenste Stufen der Forschung – eigentlich weiß man doch nie genau, was die Zukunft bringt. Und das ist auch gar nicht so wichtig! Mit Effectuation können Unternehmen den Spieß umdrehen und sich selbst zum Gestalter ihrer Zukunft machen, satt diese passiv zu „erleiden“. Durch die Analyse der eigenen Mittel und entsprechende Zielvorgaben, die sich an den steuerbaren und bereits vorhandenen Umständen orientieren, machen sich Unternehmen selbst zu Akteuren und steuern ihre Zukunft.

 

 

 

Foto © Coloures-Pic – Fotolia.com

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